Alle Augen auf mich! Präsentieren ohne Folien.

all eyes on me (day 40 of 365)

Image by stephenvance via Flickr

Kennen Sie „Powerpoint“ und Co.? Es scheint, dass man kaum noch daran vorbei kommt, mittlerweile ist es auch in der Schule angekommen. Schon Kinder lernen also, dass man bei Referaten seine Informationen mit visueller Unterstützung besser kommunizieren kann. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Aus der Erfahrung an der Uni kann ich sagen, dass wirklich niemand mehr Vorträge – oder auch nur Monologe von mehr als 30 Sekunden – ohne Präsentationsfolien hält. Leider.

Denn Folien müssen nicht sein. Sie sind nicht immer hilfreich und können sogar einen ansonsten guten Vortrag ruinieren, wenn man sie nicht sinnvoll einzusetzen weiß. Schon in der Vorbereitungsphase sollte man sich also fragen, wie sinnvoll der Einsatz von Folien ist. Und was man mit ihnen erreichen kann. Vor allem: Ob man sein Ziel auch anders erreichen kann!
Es stehen zahlreiche alternative Hilfen zur Verfügung: Handouts, Film oder eine Demonstration (z.B. wenn man das, worüber man spricht, mitnehmen und dem Publikum in die Hand geben kann) können abhängig vom Thema einen viel besseren Eindruck vermitteln.
Und vielleicht geht es auch vollkommen ohne visuelle Untermalung. Folien und alle anderen Hilfsmittel sind nicht nur Unterstützung für das Publikum sondern immer auch für den Vortragenden. Sie strukturieren den Vortrag, geben komplexe Informationen wieder, die zu berichten zu umständlich wäre, und können – wenn auch eingeschränkt – Emotionen übermitteln, wo der Vortragende dazu möglicherweise nicht in der Lage ist. Leider entstehen oftmals erst die Folien und dann der Vortrag dazu, dann ist der Nutzen womöglich eingeschränkt, weil sie das Gesagte nicht unterstützen sondern überlagern. Ein Effekt ist beispielsweise das berühmte Folienvorlesen. Aber sie können noch mehr:

Hand auf’s Herz, nicht jeder findet es toll vor eine Gruppe von Menschen zu treten und zu reden. Folien maskieren insofern auch die eigene Unsicherheit und lenken die Aufmerksamkeit gezielt auf sich, wenn sie so gestaltet sind. So erlebt man immer wieder Präsentationen, wo die Folien das einzige sind, was den Vorgang am Laufen hält, während die Präsentierenden eher eine mittelmäßige Leistung abliefern. Das sind dann üblicherweise Fälle von falsch gesetzten Prioritäten, weil viel mehr Arbeit in die Folien investiert wurde als in den eigentlichen Vortrag. Aber auch wenn inhaltlich alles stimmt, kann die eigene Präsenz viel ausmachen. Einige stellen sich beispielsweise gerne dezent in den Hintergrund oder verkriechen sich hinter ihrem Laptop. Auch wenn’s ein MacBook ist: Du bist Dein Vortrag! Zeige dich!
Klar, wenn man vor Hunderten von Leuten redet, können einen nicht alle gleich gut sehen oder die Mimik und Gestik erkennen. Das kann aber keine Entschuldigung sein, komplett darauf zu verzichten darüber nachzudenken und sie genau so gezielt einzusetzen wie Folien.

Gute Geschichten

Garr Reynolds (und viele andere Anleitungen zum richtigen Präsentieren) sagen, dass gute Präsentationen gute Geschichten enthalten sollten. Und das sollte höhere Priorität haben als die visuelle Gestaltung der Folien. Die mündliche Weitergabe von Geschichten ist die wohl älteste Medienform und wir Menschen reagieren darauf. Auch sämtliche modernen Medien – sei es Film, Computerspiele oder Fernsehen – kommen in der Regel nicht ohne gute Geschichten aus. Einige werden seit Jahrhunderten und Jahrtausenden immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Der Inhalt ändert sich dabei nicht unbedingt – wohl aber die Form.
Und so kann auch eine Präsentation von nichts anderem als guten Geschichten (und dem Erzähltalent des Redners) leben. Und die Geschichten muß man sich meistens nicht einmal mehr ausdenken, weil in vielen Fällen die Arbeit und Vorbereitung eines Themas schon massenhaft Stoff liefern.
Bei Filmen kann es eine Anekdote vom Dreh sein, bei wissenschaftlicher Forschung die – womöglich witzige – Situation in der einen der entscheidende Geistesblitz ereilte. Es kann ein historischer Exkurs sein, die Skizze eines Problems am konkreten Beispiel oder eine scharfe Gegenwartsbeobachtung. Das mag auf den ersten Blick vielleicht nicht relevant erscheinen, aber man erreicht durch solche Geschichten zum einen eine angenehmere Stimmung im Publikum (denn das will immer unterhalten werden, egal wie ernst der Anlass und wie zwangsläufig die Anwesenheit ist) und schafft zum anderen eine persönliche Ebene, mit der sich die Leute vielleicht besser identifizieren können. Kurz gesagt und um dass böse Wort wenigstens einmal eingestreut zu haben: ein Vortrag muss verkauft werden. Und Menschen kaufen am liebsten von einem menschlichen Verkäufer.

Als Beispiel sind hier zwei Videos von Sir Ken Robinson verlinkt, sein berühmter erster TED Talk – mittlerweile gibt es eine Fortsetzung – und ein längerer Vortrag anlässlich der Veröffentlichung seines Buches „The Element„, währenddessen tatsächlich eine Folie mit dem Cover des Buches im Hintergrund zu sehen ist. Wenn ihr euch die Vorträge anseht, die vollkommen ohne Folien auskommen, werdet ihr merken, dass sie von lustigen Anekdoten und Gags durchsetzt sind. Und das obwohl es um ein wichtiges Thema, nämlich die Kritik an der Struktur von Bildungssystemen, geht. Natürlich werden keine konkreten wissenschaftlichen Ergebnisse vorgestellt, keine Diagramme, keine Tabellen, keine Quellenangaben. All das findet man in Robinsons Büchern. Das Ziel der Vorträge ist es, das Problem zu skizzieren, Emotionen zu wecken und Interesse zu erzeugen. Und beim TED Talk geschieht all das noch in einem engen Zeitrahmen. Und um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Natürlich hätte man in diesem Vortrag auch Daten präsentieren können. Denn wenn man das Publikum eingefangen hat, wie Robinson das hier tut, dann kann man diese Verbindung auch ein bißchen mit Inhalten belasten. Nicht aber, wenn man das gleich zu Beginn vergeigt.

Nicht vergessen, im ersten Beispiel soll die Präsentation im Grunde nur ein Appetizer, ein Einstieg ins Thema sein. Neugier soll geweckt werden. Das Publikum soll das Gefühl haben, ihre Zeit in Eurem/Ihrem Vortrag nicht verschwendet zu haben. Dann erinnern sie sich auch -positiv- an Euer/Ihr Thema und an Euch/Sie. Da kann und sollte man schon ein bißchen Show machen und nur die zentralen Fragen behandeln. Man könnte sicher noch viele andere Beispiele für gute narrative Präsentationen finden. Und darum, lieber Leser, bist auch Du/sind auch Sie gefragt: Wenn Du/Sie einen interessanten Vortrag kennst/kennen, der sich als positives Beispiel (Stichwort: best practice) eignet und es davon ein Video im Netz gibt, dann nichts wie rein damit in die Kommentare. Wir werden gegebenenfalls Einzelne in Beiträgen vorstellen oder unregelmäßig kleine Hitparaden posten. Produser, hier bist du/seid ihr gefragt. Darüberhinaus und in diesem Zusammenhang bitten wir um Feedback, ob der geneigte Leser gesiezt oder geduzt werden möchte. So.

Studentische Praxis

Gerne wird gesagt, dass im studentischen Kontext – oder im akademischen Rahmen allgemein – ein allzu unterhaltsamer Stil nicht sinnvoll ist. Es gehe um Seriösität und die Vermittlung von Wissen. Ein allzu niedrigschwelliger Zugang könne den Eindruck erwecken, der Vortragende sei nicht in der Lage die Tiefe seines Themas auszuloten oder eben dieses sei unterkomplex. Grundsätzlich stimmt das wahrscheinlich, trifft aber wohl auch für andere professionelle Rahmungen zu. Außerdem gelten für wissenschaftliche Vorträge die gleichen Regeln wie für jegliches wissenschaftliches Arbeiten: Fakten sollten nachprüfbar sein, Zitate oder Erkenntnisse von Dritten sollte man sprachlich auch so kenntlich machen, es sollte ein eigener Gedanke oder Ansatz erkennbar sein usw. . Nichtsdestotrotz sollte man seinen Vortrag für die jeweils anwesenden Menschen halten und da sind akademische Publika sicherlich ebenso heterogen wie andere Gruppen von handelsüblichen Menschen. Ferner sollte man sich hüten seriös mit langweilig und komplex mit unstrukturiert zu verwechseln!
Im Kontext des narrativen Vortrags ohne Folien sei der Hinweis erlaubt, dass man ein Publikum anspricht und einen Dialog provozieren will. Freies Reden sollte daher selbstverständlich sein, denn Vorlesen kann man seinen Kindern, Enkeln oder Nichten und Neffen abends beim Schlafengehen. Es hat auch den Vorteil, dass man während der Präsentation geistig auf Zack ist und seine eigenen Gedankenlinien einfangen und auf den Punkt bringen oder sonstwie improvisieren kann (zum Beispiel wenn die Zeit knapp wird). Ein festes Manuskript gibt dafür kaum Freiraum. Ganz abgesehen von dem verheerenden Eindruck für das Publikum, wenn es merkt, dass es sich den Text auch gemütlich daheim beim Tee hätte durchlesen können. Weitere mögliche Vor- oder Nachteile des folienlosen Präsentierens nehmen wir gerne in den Kommentaren entgegen.

Nach diesem Plädoyer, werden wir in einer Fortsetzung zu diesem Thema ein paar Tipps versammeln, wie ein Präsentator seinen Vortrag darbieten kann. Und wie nicht.

Beim nächsten Mal wird es allerdings erstmal einen Überblick über Alternativen zu Powerpoint geben. Ja, wir tun alles um das böse P von MS zu vermeiden. 🙂